"Wir werden gewinnen"


Artikel verfasst von

Maike

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"Er hat jetzt Zeit für Sie", sagt Liz Dotcom und zeigt auf die Tür zum Arbeitszimmer ihres Mannes in Coatesville bei Auckland, Neuseeland. Hier wohnt Kim Dotcom (44) in einer Landvilla, zusammen mit seiner dritten Ehefrau Liz (23). Die beiden haben vor wenigen Wochen geheiratet.

Kim Dotcom erhebt sich zur Begrüßung nicht aus seinem Sessel. Der Gründer von Megaupload sitzt blass am Notebook, vor ihm ein Apfel und eine Flasche Wasser. Auf dem Großbildfernseher flimmert MTV. Für das Treffen hat er Vorbedingungen auf Englisch gestellt: "No photos, no videos and no other people pls." Im Interview wird er aber meistens Deutsch sprechen.

SPIEGEL ONLINE: Kim Schmitz, Kim Dotcom, Kim Jim Tim Vestor, Kimble the First, Ruler of the Kimpire - Sie haben sich selbst viele Namen gegeben. Mit welchem soll ich Sie anreden?

Dotcom: Nennen Sie mich einfach Kim.

SPIEGEL ONLINE: Kim, müssen Sie bald zurück nach Deutschland?

Dotcom: Wieso?

SPIEGEL ONLINE: Laut Medienberichten könnte Ihre Abschiebung bevorstehen. Die neuseeländische Einwanderungsbehörde ermittelt gegen Sie, weil Sie bei Ihrem Aufenthaltsantrag eine Strafe verschwiegen haben - wegen gefährlichen Fahrens.

Dotcom: Das ist lächerlich. Es geht um eine Geschwindigkeitsüberschreitung bei einem vorherigen Aufenthalt in Neuseeland. Ich habe dafür eine Geldstrafe bekommen. Deswegen musste ich nicht einmal vor Gericht.

SPIEGEL ONLINE: Sie sind in einer Tempo-50-Zone 149 km/h schnell gefahren und wurden dafür wegen gefährlichen Fahrens bestraft. Im Antrag wurde gefragt: "Wurden Sie oder Ihre Familienangehörigen in den vergangenen fünf Jahren eines Delikts überführt, eingeschlossen ein Verkehrsdelikt mit gefährlichem Fahren?" Sie haben dazu keine Angaben gemacht.

Dotcom: Ich hatte die Strafe ordnungsgemäß bezahlt. Mir war nicht bewusst, dass dieses Speeding-Ticket so wichtig ist. Das Ganze ist ein Versuch, mich um jeden Preis loszuwerden - falls das Auslieferungsverfahren gegen mich scheitert.

SPIEGEL ONLINE: In den USA ist wegen Urheberrechtsverletzung im großen Stil Anklage gegen Sie erhoben worden. Vor gut einem Jahr hat das oberste Zivil- und Strafgericht in Neuseeland Ihre Auslieferung in die USA genehmigt: nicht wegen Urheberrechtsverletzung, aber wegen Betrugs. Sie haben Berufung eingelegt...

Dotcom: ...und wir werden gewinnen: entweder vor dem Berufungsgericht oder vor Neuseelands Supreme Court. Die Hollywood-Lobby und die US-Regierung von Obama haben Druck gemacht. Aber Urheberrechtsverletzungen sind in Neuseeland nicht strafbar. Das ist nur eine zivilrechtliche Sache, dafür kann ich nicht ausgeliefert werden. Also hat der Richter irgendwas gesucht, was so ähnlich aussieht, und er ist auf Betrug gekommen. Man könnte sagen: Er hat von seiner Richterbank aus neue Gesetze gemacht. Aber damit wird er nicht durchkommen.

SPIEGEL ONLINE: Es geht im Verfahren gegen Megaupload nicht bloß um illegal getauschte Blockbuster-Filme. Vom FBI heißt es, über Ihr Portal seien unter anderem auch strafrechtlich relevante Inhalte wie etwa islamistische Propagandavideos verbreitet worden.

Dotcom: Jeder, der Megaupload benutzt hat, weiß, dass es um solche Dinge nicht ging. Unsere Geschäftsbedingungen haben diesen Missbrauch eindeutig verboten, und wir sind dagegen vorgegangen, sobald wir davon erfahren haben. Sie werden auch bei Dropbox solche Links finden. Jede Webseite mit nutzergeneriertem Content hat dasselbe Problem: ob YouTube, Facebook oder Twitter. Es gibt Menschen, die solche Plattformen missbrauchen.

SPIEGEL ONLINE: Reicht das aus? Die Anklage wirft Ihnen vor, Sie hätten die hochgeladenen Inhalte besser kontrollieren müssen.

Dotcom: Bei uns wurden am Tag mehrere Millionen Files hochgeladen. Wie wollen Sie die alle kontrollieren? Aber wenn wir auf Missbrauch hingewiesen wurden, haben wir nicht nur diese Files sofort gelöscht. Nein, wir haben auch mit den Ermittlungsbehörden zusammengearbeitet.





SPIEGEL ONLINE: Sie wollen Neuseeländer werden. Zugleich aber haben Sie den neuseeländischen Staat auf 6,8 Milliarden Euro Schadensersatz verklagt: wegen Ihrer Festnahme im Jahr 2012, die Ihr Geschäft und Ihren Ruf zerstört haben soll. Nun wurde Ihnen die erste Summe zugesprochen. Warum legen Sie sich so mit Ihrer Wahlheimat an?

Dotcom: Der neuseeländische Staat hat massiv bei der Zerstörung von Megaupload mitgewirkt. Für den Schaden, der angerichtet wurde, steht uns Schadensersatz zu. Mir geht es aber nicht nur um das Geld. Es geht auch darum, dass die Wahrheit über meinen Fall ans Licht kommt. Dass gezeigt wird, wie politisch motiviert dieser Prozess ist.

SPIEGEL ONLINE: Ihr Vermögen ist beschlagnahmt. Wovon leben Sie momentan?

Dotcom: Ich kann auf Teile meines Geldes zugreifen. Laut einem Gerichtsurteil stehen mir monatlich 70.000 Neuseeland-Dollar (42.000 Euro, d. Red.) Lebensunterhalt zu, plus meine Anwaltskosten.

SPIEGEL ONLINE: Wie hoch sind die?

Dotcom: Bislang sind weit über 20 Millionen US-Dollar an Anwaltshonoraren zusammengekommen. Zurzeit arbeiten 13 Anwälte für mich, in den USA, Neuseeland, Hongkong und Deutschland. Aber ich verlasse mich nicht komplett auf die. Ich kümmere mich intensiv um meinen eigenen Fall, denn hier geht es um mein Leben. In den USA bekäme ich nie einen fairen Prozess, der Richter war Partner einer Anwaltskanzlei, die unter anderem für Disney gearbeitet hat, also für die andere Seite. In diesem Prozess drohen mir im schlimmsten Fall bis zu 88 Jahre Haft. Sollte ich ausgeliefert werden, würde ich im Gefängnis sterben.

SPIEGEL ONLINE: Was machen Sie eigentlich den ganzen Tag lang hier in Neuseeland?

Dotcom: Ich bereite ein neues Web-Angebot vor. Die Domain habe ich schon: k.im! (grinst)

SPIEGEL ONLINE: ".im", für welches Land steht denn das?

Dotcom: Isle of Man! (lacht laut)

SPIEGEL ONLINE: Und was wollen Sie anbieten?

Dotcom: Einen neuartigen Fileshop. Unser User kann eine Datei hochladen. Die wird im Transit verschlüsselt - und dann in einen verschlüsselten Container gepackt. Diese Inhalte kann unser User auf mehr als 100 Plattformen im Web verkaufen. Unser Fileshop ermöglicht jedem, der interessanten Content besitzt, diese Inhalte selbst zu vermarkten, ohne über Drittanbieter zu gehen.

SPIEGEL ONLINE: Wie stellen Sie sicher, dass der Shop nicht missbraucht wird?

Dotcom: Ich bin ein reiner Technologieanbieter. Stellen Sie sich vor: Eine Hausfrau kauft ein Messer, um damit Brot zu schneiden. Aber ein anderer kauft das Messer und sticht damit jemanden in den Bauch. Ist das die Schuld des Messerherstellers? Ich kann nicht dafür verantwortlich gemacht werden, in welcher Form mein Produkt genutzt wird.

SPIEGEL ONLINE: Machen Sie es sich nicht zu einfach?

Dotcom: Suchen Sie mal bei Google 100 Links zu Madonna-Songs. Wahrscheinlich sind 80 davon keine legitimen Angebote. Das ist die Realität des Internets.

"Julian Assange ist ein Held. Wir alle sollten ihm danken."

SPIEGEL ONLINE: Kürzlich haben Sie getwittert: "Glad we stopped Hillary". Wie haben Sie dazu beigetragen, dass Hillary Clinton nicht US-Präsidentin geworden ist?

Dotcom: Es ist bekannt, dass ich ein langjähriger Unterstützer von WikiLeaks bin. Ich habe schon 2015 in einem Interview vorausgesagt, dass WikiLeaks Hillary echte Probleme im Wahlkampf bereiten wird. Ich wusste, dass da etwas kommt.

SPIEGEL ONLINE: WikiLeaks-Chef Julian Assange hat viele Bewunderer verloren. Viele halten ihn und seine Plattform für ein Sprachrohr der Russen. Sie halten aber weiter zu ihm?

Dotcom: Julian Assange ist ein Held. WikiLeaks öffnet Menschen die Augen, was Geheimdienste und Regierungen tun, allen voran die USA: Wie sie ohne Gerichtsverfahren mit Drohnen Menschen töten, Kriege riskieren und letztlich Terrorismus verursachen. Der einzige Mensch, der diese Lügen aufgedeckt hat, ist Julian Assange. Wir alle sollten ihm danken.

SPIEGEL ONLINE: Statt Hillary Clinton ist nun Donald Trump Präsident. Haben Sie sich den gewünscht?

Dotcom: Es gab zwei Kandidaten. Hillary Clinton mit ihrer kriminellen Clinton Foundation war mit Sicherheit die schlechtere Wahl. Es gibt niemanden, der korrupter war als die Clintons.

SPIEGEL ONLINE: Hat der Machtwechsel im Weißen Haus Auswirkungen auf Ihren eigenen Gerichtsprozess?

Dotcom: Natürlich. Die neue Regierung verfolgt andere Prioritäten: Hollywood und Trump mögen sich überhaupt nicht. Das hilft mir natürlich. Ich spüre, dass es in meinem Fall weniger Druck von außen gibt, auch hier in Neuseeland. Es macht mir Hoffnung, dass die Sache bald ausgestanden ist.

SPIEGEL ONLINE: Falls Sie wirklich gewinnen sollten, was machen Sie dann?

Dotcom: Ich war seit Jahren nicht mehr in Deutschland. Wenn das hier vorbei ist, werde ich meine Mutter in Schleswig-Holstein besuchen. Dann werde ich mich mit meinen alten Kumpels treffen und Computer spielen. Und ich werde meinen Kindern und meiner Frau zeigen, wo ich aufgewachsen bin. Ich vermisse Deutschland: die Gründlichkeit, die Würstchen und die deutschen Straßen, denn hier in Neuseeland kann man nicht richtig schnell Auto fahren. Deutschland wird immer meine Heimat sein.